Von der Purpose Economy zur Play Economy
Profitorientierung war gestern – Sinnstiftung lautet der neue State of the Art. Die immer stärker werdende Purpose Economy stellt Unternehmenswerte über traditionelle Businessziele. Aber was steckt hinter dem Hype? Und wie zukunftsfähig ist diese Art der Unternehmensausrichtung?
Unternehmen: Schneller, höher, weiter – und trotzdem träge
Woran denkt man, wenn man sich ein klassisches Unternehmen vorstellt? Gewinnmaximierung im Sinne von schneller, höher, weiter ist meistens die erste Assoziation, die einem in den Sinn kommt. In den vergangenen Jahrzehnten ging es primär nicht darum, sich bestmöglich nach außen hin zu präsentieren, sondern um den internen Businesserfolg. Stark kennzeichnend für solche Unternehmen ist, dass sie vor allem von indirekten Motiven angetrieben werden. Anders als direkte Motive sind indirekte Motive sehr passiv angehaucht. Der schwächste indirekte Antrieb ist Emotional Pressure: Man tut etwas nur, um entweder sich selbst oder andere Personen nicht zu enttäuschen. Das zweitstärkste indirekte Motiv ist Economic Pressure, also wirtschaftlicher Druck: Man übt eine Tätigkeit aus, um entweder eine Belohnung dafür zu bekommen oder einer Bestrafung zu entgehen. Sehr viele Zielsysteme in Organisationen funktionieren nach diesem Prinzip. Und das stärkste indirekte Motiv ist Inertia bzw. Trägheit: Man tut etwas, weil man es immer schon so gemacht hat. Eigentlich weiß man gar nicht, warum man eigentlich so agiert, hinterfragt dies aber auch nicht und macht einfach weiter wie bisher.
Wer angetrieben von Play agiert, tut Dinge, weil die Ausführung der Aktivität selbst bereits Belohnung genug ist.
Eine solche Trägheit ist besonders in Unternehmen zu finden, die sehr prozessorientiert arbeiten. Prozesse werden optimiert bis sie funktionieren und werden dann als best practice genutzt, um immer wieder nach den gleichen Mustern zu agieren. Daraus resultiert jedoch das Problem, dass Unternehmen vermehrt Schwierigkeiten dabei haben, spontan auf neue Anforderungen zu reagieren. In einer Zeit, wo sich die Bedürfnisse von KundInnen aber immer rasanter verändern, werden adaptive Fähigkeiten in Organisationen immer wichtiger.
Purpose Economy: Berechtigter Hype?
Damit einher geht auch ein verändertes Bewusstsein der (Konsum-)Gesellschaft. Bei der Auswahl der Unternehmen, von denen wir Produkte und Dienstleistungen beziehen, werden wir zunehmend kritischer. Wir setzen unser Schlaumeier-Miene auf und wollen wissen: Welche Werte liegen den Organisationen zugrunde? Womit assoziiert man die Marke? Inwiefern spielt das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle? Unter welchen Bedingungen arbeiten ihre MitarbeiterInnen? In welchen Projekten ist die Firma involviert? Es gilt mittlerweile gesellschaftlich schon fast als verpönt, bei Unternehmen einzukaufen oder auf Dienstleistungen von Unternehmen zurückzugreifen, die rein auf Profit ausgerichtet sind. Kein Wunder also, dass in vielen Organisationen schlagartig die Alarmglocken zu läuten beginnen, gefolgt von dem Aufschrei: „Wir brauchen ein Purpose Statement!“ Und zack – Willkommen in der Purpose Economy! Plötzlich prahlen alle Firmen damit, wie sie angetrieben von ihren moralisch angesehen Werten verantwortungsbewusst handeln, wie sehr sie darauf bedacht sind, dass ihre Arbeit einen tieferen Sinn ergibt und welchen nachhaltigen Impact sie in der großen weiten Welt erzeugen.
Ich will hier natürlich nicht alle Unternehmen über einen Kamm scheren – nicht alle schließen sich der Purpose Economy an, nur weil sie sich dadurch eine Image-Politur erhoffen. Die erhoffte Außenwirkung ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Purpose ist gleichzeitig auch ein direktes Motiv, ein direkter Antrieb, und hebt sich dadurch von den vorhin beschriebenen indirekten Motiven ab. Aus diesem Blickwinkel betrachtet beschreibt Purpose den Antrieb, etwas zu tun, weil einem das Ergebnis wichtig ist und man davon ausgeht, dass dieses Ergebnis irgendwann eine bestimmte Wirkung erzeugt.
Play: Sinnerfahrung statt Sinnstiftung
Von diesem Standpunkt aus betrachtet klingt das doch ganz gut oder? Ja, könnte man meinen. Aber ich habe da noch ein Ass im Ärmel: Es gibt nämlich noch ein weiteres direktes Motiv für unsere Handlungen, das sogar doppelt so stark ist wie Purpose: Und zwar Play. Wer angetrieben von Play agiert, tut Dinge, weil die Ausführung der Aktivität selbst bereits Belohnung genug ist. Man tut etwas, ohne sich sich etwas bestimmtes davon zu erwarten. Einfach, weil es Spaß macht. Und genau hier liegt der Teufel im Detail: Denn das, was man mit Purpose versucht zu erreichen, nämlich eine Wirkung zu erzeugen, passiert während Play ganz automatisch, ohne es zu forcieren. Und zwar nicht erst irgendwann, sondern bereits während der Tätigkeit. Der Unterschied zu Purpose liegt bei Play darin, direktes Feedback für das zu bekommen, was man gerade tut. Man kann noch so sehr seinen Purpose in einen Marketingplan integrieren – zu dem Zeitpunkt, wo sich entscheidet, ob das Vorhaben letztendlich sinnstiftend war oder nicht, hat es keine emotionale Relevanz mehr.
Ganz anders verhält es sich bei meinen Workshops. Da reicht ein Blick in die Gesichter der TeilnehmerInnen und es wird klar: Die Leute erkennen den Sinn in dem, was sie gerade tun. Durch das spielerische Setting, in dem alle Beteiligten im jetzigen Moment selbst aktiv werden, Szenarien bauen, Dinge kombinieren und verschieben, erhalten sie direktes Feedback durch sofortigen Output. Die Wirkung ist kein eventuell mögliches Zukunftsszenario, sondern wird direkt im Workshop erzeugt. Das triggert natürlich auch Gefühle wie Autonomie und Selbstwirksamkeit. Von Passivität ist hier keine Spur mehr. Und auch das Thema Purpose Economy wird in den Schatten gestellt. Meine logische Schlussfolgerung ist daher, dass auf die aktuelle Purpose Economy früher oder später eine Art Play Economy folgen wird – ich hoffe es zumindest!